„Das haben wir nicht gewollt”
Das Buch von William Sheridan Allen gilt als Rarität:
„Wie unter einem Brennglas wird hier der Übergangsprozess der Weimarer Republik in den NS-Staat greifbar”,
schreibt der Verlag „Die Buchmacherei”, der das Buch Ende 2022 neu herausgebracht hat. Und: Es sei
„eine lehrreiche Gesichtsstunde, deren Lehren heute wieder neue Aktualität besitzen“.
Ort der Handlung ist die niedersächsische Kleinstadt Northeim. Dem US-Amerikaner war es zu Beginn der 60er-Jahre gelungen, „das Vertrauen von prominenten wie unbedeutenden Leuten, die nach 1930 ‚mitmachten‘ oder auch ‚dagegen‘ waren“, zu gewinnen.
Er durchforschte die Archive und interviewte maßgebliche Akteur:innen.
Für seine 1965 erfolgte Buchveröffentlichung musste er den Namen der Stadt am Harz durch den Fantasienamen „Thalburg“ ersetzen und die Namen der Befragten ebenfalls anonymisieren.
Heute wissen wir auch, welche wirklichen Personen sich hinter den Pseudonymen verbargen und dieses Buch macht dieses Wissenverfügbar.
Die nationalsozialistische Machtergreifung in einer Kleinstadt 1930-1935
Im Oktober vergangenen Jahres wäre William Sheridan Allen, der Autor des für Northeims Geschichte so wichtigen Buches 90 Jahre alt geworden.
1966 war sein für die damalige NS-Forschung bahnbrechendes Werk „Das haben wir nicht gewollt!“ auf Deutsch herausgekommen.
Eine zweite Auflage erfolgte in Deutschland nicht.
1979, war das Buch bereits vergriffen …
In Northeim (Südniedersachsen) kursierten zwar privat hergestellte Kopien. Auch die Liste der Klarnamen war zugänglich.
In der Stadtbücherei musste das Buch jedoch sekretiert werden, da es öfter verschwand.
In Frankreich gibt es seit 2016 eine preiswerte Taschenbuchausgabe mit dem unveränderten Text der Übersetzung von 1965.
Damals schrieb der renommierte Publizist Alfred Grosser ein erhellendes Vorwort.
Eine solche preiswerte Ausgabe – meinetwegen auch ohne Klarnamen – fehlte bislang in Deutschland.
Diese Lücke ist jetzt geschlossen:
Ein kleiner Berliner Verlag (Die Buchmacherei) hat das Buch neu gesetzt, mit einem wissenschaftlichen Vorwort versehen und um die Liste der Klarnamen ergänzt.
Das Buch ist seit Dezember 2022 im Buchhandel für 16 Euro erhältlich.
Allens Forschungsansatz hat seit seinem ersten Erscheinen Schule gemacht.
Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien über andere Städte.
Das Werk selbst ist in allen seriösen wissenschaftlichen Studien zur NS-Zeit zitiert.

NS - Aufmarsch in Northeim
In Northeim wurde das Hakenkreuz "vielfach und gerne stolz vorangetragen" - wie beim Aufmarsch der Bürger am 1. Mai 1933. Das belegen Fotos und Dokumente im Stadtarchiv der niedersächsischen Kleinstadt.
William Sheridan Allen war mit seiner Mikrostudie damals Pionier als 25-jähriger Student, der mit seiner Frau und der in dieser Zeit geborenen Tochter Am Schuhwall und in der Schillerstraße wohnte.
Das in Allens Northeimer Zeit geborene Töchterchen Caitilyn, mittlerweile ebenfalls Professorin (in Wisconsin), erinnert sich, dass der Vater das ganze Leben über voller Dankbarkeit für die Hilfsbereitschaft seiner Northeimer Gesprächspartner erzählte.
Das Buch wurde bei seinem Erscheinen überregional rezipiert und besprochen.
Im März 1967 erschien auch in der Tageszeitung eine ausführliche Würdigung dieses unbequemen Buches aus der Feder von Wilhelm Olivet:
„Ein Tatsachenbericht, packend wie ein Roman, kritisch und zugleich voller Wärme, dramatisch aufgebaut und zugleich um Tatsachentreue bemüht.
Es bringt dem, der die Stadt und ihre Geschichte liebt, Material in reicher Fülle, und wenn man ein Geschenk für Freunde in der Ferne denkt, dann wäre dies das Buch dafür… .“
Das gilt auch heute noch.

Quelle:
Northeimer Neueste Nachrichten
Hans Harer, Pensionierter Geschichtslehrer, hat sich selbst die neue Heimat Northeim mit diesem Buch unter dem Arm erschlossen. Das war 1979.